Reisebericht Kenia / Uganda

Leidenschaftliche Visionäre

Projektreise mit STAY nach Ostafrika

Lokale Sozialunternehmer*innen vernetzen

Weil es zum Selbstverständnis unserer Stiftungsarbeit gehört, alle Projekte und Partner persönlich zu kennen, waren wir besonders gespannt auf unsere Reise zur „Stay Alliance“ diesen Sommer nach Kenia und Uganda. Der Ansatz des von der Stuttgarter Stiftung „STAY“ durchgeführten Projekts passt perfekt zu unserer Vorstellung von moderner Entwicklungszusammenarbeit: lokale Sozialunternehmer miteinander vernetzen und ihnen eine Plattform bieten, über die sie die Wirksamkeit ihrer Ideen und Projekte vervielfachen können. So werden sie dabei unterstützt, Entwicklungsprozesse in ihrem Land vollständig selbst in die Hand zu nehmen, nachhaltig Einkommen zu generieren sowie Armut und Abhängigkeiten zu überwinden.

So viele Menschen wie möglich erreichen

Erster Stopp unserer Reise ist Nairobi. Hier besuchen wir die „Angaza Stay Alliance“, die erst im Frühjahr 2018 ihre Arbeit aufgenommen hat. „Angaza“ bedeutet auf Suaheli „Erleuchten“ und steht im übertragenen Sinne für den Auftrag des Bündnisses: Neues Licht und Perspektiven schenken, um nachhaltige Entwicklung und Zusammenarbeit voranzutreiben. Nachdem wir uns intensiv mit Mitarbeiter*innen und Mitgliedern über das Konzept der Allianz, aktuelle Herausforderungen und Pläne ausgetauscht haben, besuchen wir in den kommenden Tagen Unternehmer*innen, die gerne Mitglied in der Allianz werden wollen oder es bereits sind. Wir wollen jetzt weg von der Theorie und einen echten Einblick in Sozialunternehmen gewinnen, sehen, welche Wirkung die Projekte auf die Menschen haben. Als erstes treffen wir Esther, die bereits seit 15 Jahren südwestlich von Nairobi in den Ngong-Bergen eine Ökoschulungsfarm unterhält, auf der sie anderen Bauern beibringt, Bioprodukte anzubauen und sie zu vermarkten. Von einer Mitgliedschaft in der Allianz erhofft sie sich, eine bessere Vernetzung mit anderen Unternehmer*innen sowie Know-how, wie sie finanziell unabhängig von Spenden werden kann. Im Gespräch wird deutlich, wie groß ihre Motivation ist, mit ihrem Projekt so viele Menschen wie möglich zu erreichen, um die Idee der ökologischen Landwirtschaft bekannter zu machen und Armut zu beseitigen.

Ein paar Kilometer nördlich treffen wir auf einem kleinen Privatgrundstück Beth, die seit vielen Jahren immer wieder Workshops bei Esther bucht und uns nun stolz durch ihren Garten führt. Sie hat ihre Erträge durch die Umstellung auf biologische Landwirtschaft nicht nur verdoppeln können, sondern baut jetzt viel mehr verschiedene Produkte als vorher in Mischkultur an. Damit kann sie ihre Familie ganzjährig selbstversorgen und geniert darüber hinaus ein eigenes Einkommen, indem sie überschüssige Erträge auf dem lokalen Markt verkauft.

Simple Technik, große Wirkung

Wir reisen weiter Richtung Südosten, in die Gegend um Machakos, eine geographisch wasserarme Region. Hier schauen wir uns die Arbeit der Organisation Utooni an, die benachteiligte Gemeinden, die auf trockenem oder halbtrockenem Land leben dabei unterstützt, ihre Wasserversorgung zu verbessern. Unter anderem schulen sie Menschen darin, Sanddämme zu errichten, die bewirken, dass Flussbetten auch in der Trockenzeit Wasser speichern. Bisher hat Utooni rund 1.500 solcher Dämme errichtet und dazu beigetragen, dass die tägliche Zeit, die Menschen mit der Wasserbeschaffung verbringen von sechs Stunden auf 54 Minuten reduziert werden konnte. Die Technik ist simpel und langlebig, die Kosten gering, die Wirkung groß: Die Gemeinden haben ganzjährig Wasser für Selbstversorgung und Landwirtschaft, die Hygienestandards verbessern sich, die Community wird als Ganze gestärkt. Auch das wollen wir in der Praxis sehen und besuchen im Anschluss die Landwirtin Dorkas, deren Farm über das in einem Sanddamm gestaute Wasser bewässert wird. Wir sind beeindruckt, wie grün und gesund ihre Beete aussehen, obwohl es hier schon seit Wochen nicht geregnet hat. Spätestens hier fällt uns auf, dass die Mehrzahl der Sozialunternehmer*innen, die wir in Kenia kennenlernen konnten, Frauen waren.

Kein Mangel an Ideen

Von Nairobi reisen wir weiter nach Kampala. Hier in Uganda hat STAY 2017 ein Pilotprojekt gestartet. Die hiesige LATEK Stay Alliance („Latek“ bedeutet auf Acholi „Zusammen“) besteht inzwischen aus rund 30 Mitgliedern und hat sich als Dachverband für Sozialunternehmer*innen bereits etabliert. Von den lokalen Mitarbeitern erfahren wir, wie viel Arbeit dahintersteckt. Oft mangelt es nicht an unternehmerischen Ideen, manchmal sind es auch politische Strukturen, die den Sozialunternehmer*innen den Aufbau ihres Business erschweren. Ein zentrales Thema der Verbandsarbeit ist auch in Uganda die Erarbeitung von Konzepten für finanzielle Unabhängigkeit. Einer, der sich damit auskennt ist Dixon, der gleich mehrere Geschäftsideen zum Erfolg geführt hat und zu 100 Prozent unabhängig von Spendengeldern arbeitet. Gestartet ist er mit wiederverwendbaren Damenbinden, die Mädchen und Frauen während ihrer Periode helfen, ohne Stigmatisierung aktiv am Leben teilzunehmen. Er verkauft die Binden nicht nur, sondern klärt über ihre Benutzung in Schulen auf und gibt das Wissen über die Herstellung und Vermarktung weiter. Gleichzeitig betreibt er Aufklärungsarbeit für und mit von HIV/Aids betroffenen Jugendlichen. Doch Dixon denkt immer einen Schritt weiter. Zurzeit arbeitet er an einer recyclebaren Verpackung für die Binden, um dem wachsenden Müllproblem in Uganda etwas entgegenzusetzen. Seine visionäre Kraft ist ansteckend und wir haben das Gefühl, hier einen echten Hoffnungsträger und Multiplikator für nachhaltige Ideen getroffen zu haben.

Alte Strukturen und Denkmuster aufbrechen

Nach weiteren Projektbesuchen und vielen Gesprächen mit unterschiedlichsten Sozialunternehmer*innen besuchen wir im Township Bwaise im Norden von Kampala „Somero“. Der Gründer Geoffrey war eines der ersten Mitglieder der „LATEK Stay Alliance“ und ist inzwischen sogar im Vorstand des Bündnisses. Nun schauen wir uns das Herzensprojekt des gelernten Sozialarbeiters, der selbst im Slum aufgewachsen ist, an: ein Berufsbildungszentrum, das mit ehemaligen Sexarbeiterinnen und deren Angehörigen arbeitet. Hier werden zahlreiche berufsvorbereitende Kurse in den Bereichen IT, Grafikdesign, Friseur- und Schneiderhandwerk angeboten. Für die Kinder der Auszubildenden gibt es einen eigenen Kindergarten. Darüber hinaus gibt es Informationsangebote zu HIV, Geburtenkontrolle oder Drogenmissbrauch.

Unsere Reise neigt sich dem Ende zu. So vielseitig die Projekte sind, die wir kennengelernt haben, eines haben sie uns alle deutlich gemacht: Der unternehmerische Geist Einzelner gepaart mit dem starken Willen, sich zu vielen zusammenzuschließen und gemeinsam alte Strukturen und Denkmuster aufzubrechen, scheinen ein unschlagbares Rezept in der Armutsbekämpfung zu sein. Das braucht Mut und Zeit, denn die Ergebnisse sind selten über Nacht sichtbar. Dafür zahlen sie aber auf ein zukunftsfähiges Morgen ein. Ein Morgen, das auf Mitbestimmung und Selbstverantwortung der Menschen setzt.

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